Vorlesung: Modulkurven (SS 2005 - Dr. Ulrich Görtz)

Das Gebiet der Modulkurven ist einerseits ein sehr klassisches Gebiet der Mathematik, das funktionentheoretische, algebraisch-geometrische und zahlentheoretische Aspekte vereint, und dadurch Verbindungen zu vielen interessanten mathematischen Fragestellungen hat. Andererseits spielen Modulkurven (und Shimura-Varietäten, die gewissermassen höherdimensionale Verallgemeinerungen von Modulkurven sind) auch in der aktuellen Forschung eine prominente Rolle - zum Beispiel beim Satz von Wiles über die Modularität rationaler elliptischer Kurven, aus dem die Fermat'sche Vermutung folgt, und beim Langlands-Programm, einer (bisher zu einem nicht geringen Teil unbewiesenen) weitreichenden Verallgemeinerung der Klassenkörpertheorie.

Auch wenn wir diese Theorien in der Vorlesung höchstens am Horizont erblicken werden, sollte die Vorlesung ein guter Einstieg sein, für alle, die sich in der algebraischen Geometrie und Zahlentheorie spezialisieren wollen (oder sich einfach für diese Gebiete interessieren).

Wir werden zunächst Modulkurven über den komplexen Zahlen als Quotienten der oberen Halbebene nach Wirkungen gewisser Untergruppen von SL_2(R) konstruieren und mit der Struktur einer "Riemannschen Fläche" versehen. Dies führt uns in natürlicher Weise dann auch zum Studium sogenannter Modulformen. Später wollen wir Modulkurven auch als algebraische Kurven, zunächst über C, aber dann auch über Q bzw. endlichen Erweiterungskörpern von Q, realisieren und studieren.

Zeit und Ort: Di, 14-16, SR B; Do, 10-12, SR A.

Vorkenntnisse: Gute Kenntnisse in Algebra und Funktionentheorie sind unabdingbar. Grundkenntnisse in algebraischer Topologie (wie die Begriffe der Fundamentalgruppe und der universellen Überlagerung) sind hilfreich, werden aber bei Bedarf in der Vorlesung nachgetragen. Im weiteren Verlauf der Vorlesung werden dann auch Grundkenntnisse in algebraischer Geometrie vorausgesetzt, wie sie etwa in den Vorlesungen `Algebraische Geometrie 1 und 2' von T. Wedhorn erworben werden konnten/können.

Literatur:
Die folgende Liste ist eine kleine Auswahl von Büchern und Vorlesungsskripten aus der sehr umfangreichen Literatur zum Gebiet der Modulkurven (und Modulformen). Zur ersten Orientierung scheinen mir insbesondere das Skript von Milne und das Buch von Diamond und Shurman geeignet. Das Buch von Shimura ist ein Klassiker, und ist nach wie vor lesenswert, allerdings streckenweise nicht ganz leicht zu lesen, auch weil nicht die Grothendieck'sche Sprache der algebraischen Geometrie benutzt wird.

Diamond, F., Shurman, J.: A First Course in Modular Forms, Springer Graduate Texts in Mathematics 228, 2005.
Dolgachev, I.: Lectures on Modular Forms, 1998, siehe http://www.math.lsa.umich.edu/~idolga/lecturenotes.html
Gunning, R. C.: Lectures on Modular Forms, Annals of Math. Studies 48, Princeton Univ. Press 1962.
Knapp, A.: Elliptic Curves, Princeton University Press, 1992.
Koblitz, N.: Introduction to elliptic curves and modular forms, Graduate Texts in Mathematics 97, Springer, 1993.
Koecher, M., Krieg, A.: Elliptische Funktionen und Modulformen, Springer 1998.
Milne, J.: Modular Functions and Modular Forms, 1997, siehe http://www.jmilne.org/math/
Miyake, T.: Modular Forms, Springer 1976.
Shimura, G.: Introduction to the Arithmetic Theory of Automorphic Functions, Iwanami Shoten und Princeton University Press, 1973

Inhalt der Vorlesung:

1. Einführung, Motivation
1.1 Riemannsche Flächen: Definition und erste Eigenschaften
1.2 Eindimensionale komplexe Tori
1.3 Modulkurven und Modulformen (Skizze)
1.4 Modularität rationaler elliptischer Kurven (Skizze)

2. Quotienten der oberen Halbebene
2.1 Stetige Gruppenaktionen
2.2 Klassifikation gebrochen-linearer Transformationen
2.3 Der topologische Raum Γ\H*
2.4 Kongruenzuntergruppen von SL2(Z)
2.5 Γ\H* als Riemannsche Fläche
2.6 Das topologische Geschlecht einer Riemannschen Fläche
2.7 Das Geschlecht von X(Γ)

3. Modulformen
3.1 Definition und erste Eigenschaften
3.2 Modulformen und meromorphe Differentialformen
3.3 Divisoren und der Satz von Riemann-Roch
3.4 Die Dimensionen der Räume M_2k(Γ) und S_2k(Γ)
3.5 Modulformen zur Stufe SL_2(Z)

4. L-Funktionen von Modulformen
4.1 Definition und erste Eigenschaften
4.2 Das Petersson-Skalarprodukt
4.3 Hecke-Operatoren
4.4 Neuformen
4.5 Ein Umkehrtheorem

5. Modulkurven als algebraische Kurven
5.1 Algebraische Kurven und Riemannsche Flächen
5.2 Der Funktionenkörper von X_0(N)
5.3 Elliptische Kurven über C
5.4 Elliptische Kurven über beliebigen Körpern
5.5 Die modulare Interpretation von X_0(N)

6. Ausblick: der Satz von Wiles
6.1 Die L-Funktion einer elliptischen Kurve über Q
6.2 Modulare Galois-Darstellungen





Letzte Änderung: 15.03.2010, Sekretariat Prof. Dr. M. Rapoport